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Striemen und Peitschspuren im BDSM – eine sexualmedizinische Perspektive

Anlässlich des Internationalen Tages des BDSM am 24.Juli (24/7….), befasse ich mich heute mit Striemen – also Markierungen (gewollt oder ungewollt) auf der Haut durch BDSM Praktiken.

Wenn Patientinnen und Patienten mit sichtbaren Striemen, blauen Flecken oder Peitschspuren nach einer BDSM Session haben, sind sie oft verunsichert – weniger wegen der Verletzungen selbst, sondern aus Angst vor Stigmatisierung. BDSM ist längst keine Randerscheinung mehr, sondern ein weltweit verbreitetes sexuelles Ausdrucksverhalten. Die DSM-5 stuft es, sofern einvernehmlich und ohne Leidensdruck ausgeübt, nicht als psychische Störung ein. Dennoch sind viele Menschen zurückhaltend, offen mit Ärztinnen und Ärzten über ihre sexuellen Vorlieben zu sprechen. Aus medizinischer Sicht ist das bedauerlich, denn gerade wer intensives „Impact Play“ praktiziert, sollte wissen, wie solche Markierungen entstehen, welche Risiken bestehen und wann ärztlicher Rat erforderlich ist.

AI gen.

In diesem Beitrag erläutere ich, wie Striemen und Peitschspuren aus medizinischer Sicht zu bewerten sind, warum sie in der BDSM-Community oft bewusst gesetzt werden und worauf sowohl Praktizierende als auch medizinisches Fachpersonal achten sollten. Grundlage sind ausschließlich wissenschaftliche Studien und Fachpublikationen, unter anderem eine explorative Studie mit 513 US-amerikanischen BDSM-Praktizierenden, die Art, Lokalisation und Schweregrad von Markierungen dokumentierte.

Wie entstehen Striemen und Peitschspuren?

Striemen und Peitschspuren sind in erster Linie eine Folge von mechanischer Einwirkung auf die Haut und das darunterliegende Gewebe. Häufig entstehen sie durch Schläge mit Floggern, Peitschen, Paddeln oder Ruten. Die dabei einwirkenden Kräfte quetschen feine Blutgefäße, sodass es zu kleinen Einblutungen ins Gewebe kommt – dem klassischen Hämatom (Herold & Hensel, 2021, Forensic Science International). Abhängig von der Intensität kann es zusätzlich zu oberflächlichen Schürfwunden, Schwellungen oder sogar blasenartigen Läsionen kommen (Moreira et al., 2023, Canadian Journal of Emergency Nursing). Besonders typische Spuren sind parallel verlaufende rote Striemen nach Ruten- oder Peitschenschlägen oder großflächigere Blutergüsse nach Paddel- oder Faustschlägen.

Die erwähnte Studie von Drouin und Kolleginnen zeigte, dass erfahrene BDSM-Praktizierende Markierungen gezielt und meist an gut durchbluteten, muskulösen Körperstellen setzen – vor allem an Gesäß und Oberschenkeln. Unerfahrene neigen dagegen eher zu unbeabsichtigten, oft ungleichmäßigen und ungünstig platzierten Markierungen. Diese unbeabsichtigten Markierungen treten häufiger an empfindlichen Körperstellen wie dem Rücken oder Oberarmen auf und resultieren oft aus einer Kombination von mangelnder Technik, fehlender Kommunikation und unzureichender Erfahrung.

Die medizinische Literatur unterscheidet zwischen absichtlich gesetzten und unbeabsichtigten Markierungen. Absichtliche, also „intentional“ gesetzte Spuren, werden meist als erotisch oder ästhetisch empfunden und bewusst in Kauf genommen. Die erwähnte Studie bestätigte, dass erfahrene Praktizierende nicht nur häufiger Safe Words nutzen, sondern auch eine deutlich präzisere Kontrolle über Intensität und Platzierung von Schlägen haben.

Sind diese Spuren gefährlich?

Aus medizinischer Sicht sind die meisten dieser Spuren harmlos und heilen ohne bleibende Schäden ab. Hämatome und Rötungen verschwinden innerhalb weniger Tage bis Wochen, sofern sie nicht immer wieder belastet werden (Chapin et al., 2021, Journal of Sexual Medicine). Das Gewebe regeneriert sich in der Regel vollständig. Problematisch wird es, wenn tieferliegende Strukturen wie Nerven, Sehnen oder Organe betroffen sind. Ungeeignete Schlagtechniken oder falsche Körperregionen können zu ernsthaften Schäden führen, etwa zu Muskelfaserrissen oder Nervenkompressionen (Moreira et al., 2023). Besonders riskant sind Schläge im Bereich der Nieren, des unteren Rückens oder der Gelenke, wo wenig schützendes Muskelgewebe vorhanden ist.

Noch gefährlicher wird es bei Praktiken wie Feuer-Spiel, Wachs-Play oder erotischer Asphyxie. Letztere, also die bewusste Drosselung der Sauerstoffzufuhr, ist in der Literatur immer wieder mit Todesfällen in Verbindung gebracht worden, vor allem in Kombination mit Alkohol oder Drogen, die das Reaktionsvermögen einschränken (Kammerer et al., 2021, Journal of Forensic and Legal Medicine; Hucker et al., 2021, Forensic Science International). Solche Praktiken sollten daher ausschließlich von sehr erfahrenen Personen durchgeführt werden, und selbst dann bleibt ein Restrisiko.

Warum sind Markierungen für viele erotisch?

Medizinisch betrachtet ist Schmerz ein physiologischer Reiz, der komplexe neurobiologische Reaktionen auslöst. Intensive körperliche Reize führen zur Ausschüttung von Endorphinen und anderen Neurotransmittern, die Glücksgefühle, Erregung und Entspannung hervorrufen können. Dieser Effekt ähnelt dem sogenannten „Runner’s High“ nach intensivem Sport (Sagarin et al., 2009, Archives of Sexual Behavior). In der BDSM-Forschung wird dieses Phänomen als „flow state“ beschrieben: eine Kombination aus starker Fokussierung, veränderter Zeitwahrnehmung und einem Gefühl der Loslösung (Ambler et al., 2017, Journal of Sexual Medicine). Markierungen sind für viele nicht nur ein erotisches Nebenprodukt, sondern ein sichtbares Symbol für das Erlebte.

Die visuelle Erinnerung an Striemen und Hämatome hat auch eine psychologische Funktion. Viele Submissive beschreiben ein Gefühl des Stolzes und der Zugehörigkeit; die Markierungen werden als „Trophäen“ empfunden (Drouin et al., 2023). Für Tops oder Doms haben sie dagegen oft eine ästhetische oder symbolische Bedeutung, etwa als sichtbarer Ausdruck der gemeinsamen intensiven Erfahrung.

Kommunikation und Konsens

Die gesundheitliche Bewertung von BDSM-Praktiken hängt maßgeblich vom Vorliegen von Konsens ab. Die Studie von Drouin et al. (2023) zeigte deutlich, dass erfahrene Praktizierende häufiger Safe Words und klare Absprachen nutzen. Vor einer Szene sollten immer Intensität, Körperregionen und persönliche Grenzen besprochen werden. Ein Safe Word dient als Notbremse und muss jederzeit respektiert werden.

Nach der Szene spielt Kommunikation eine ebenso wichtige Rolle. Die sogenannte Aftercare, die in der BDSM-Literatur als integraler Bestandteil verantwortungsvoller Praxis beschrieben wird (Williams, 2006, Journal of Positive Sexuality), umfasst emotionale Zuwendung, das Versorgen von Markierungen und gegebenenfalls psychische Unterstützung. Aftercare hilft, körperliche und emotionale Nachwirkungen zu verarbeiten und stärkt das Vertrauen zwischen den Beteiligten.

Medizinische Empfehlungen und Nachsorge

Aus medizinischer Sicht empfehle ich, sich vor intensiven Sessions mit der Anatomie vertraut zu machen und empfindliche oder gefährdete Zonen zu meiden. Der Nierenbereich, der Hals und Gelenke sollten nicht mit harten Schlägen bearbeitet werden (Herold & Hensel, 2021). Weiche Flogger oder breite Paddel verteilen den Druck besser als schmale Ruten oder Canes, die tiefere Gewebeschäden verursachen können. Gerade Anfänger sollten die Intensität langsam steigern und auf Körpersignale achten. Eine veränderte Hautfarbe, Taubheitsgefühle oder anhaltender Schmerz sind Warnzeichen, die nicht ignoriert werden dürfen.

Nach der Session sollten Markierungen gekühlt werden, um Schwellungen zu reduzieren. Leichte blaue Flecken heilen meist problemlos, können aber mit abschwellenden Salben unterstützt werden. Tiefe oder ungewöhnlich langanhaltende Schmerzen, Taubheit oder Infektionszeichen wie Rötung, Eiter oder Fieber erfordern ärztliche Abklärung. Hier ist Offenheit entscheidend: Die Angst vor Stigmatisierung führt häufig dazu, dass Betroffene Verletzungen verschweigen oder zu spät medizinische Hilfe in Anspruch nehmen (Moreira et al., 2023).

Stigma abbauen

BDSM ist weder per se krankhaft noch automatisch gefährlich. Studien zeigen, dass viele BDSM-Praktizierende überdurchschnittlich auf Kommunikation, gegenseitigen Respekt und Sicherheit achten (Sagarin et al., 2009). Dennoch hält sich in der Gesellschaft noch immer das Bild einer grenzüberschreitenden oder gar gewalttätigen Sexualpraxis. Dieses Stigma erschwert nicht nur das Arzt-Patienten-Gespräch, sondern kann auch dazu führen, dass medizinisches Fachpersonal Verletzungen vorschnell als häusliche Gewalt interpretiert.

Gleichzeitig müssen auch BDSM-Praktizierende lernen, offen über ihre Praktiken zu sprechen, wenn medizinische Hilfe nötig wird. Ein offenes Gespräch kann lebenswichtig sein – etwa wenn eine scheinbar harmlose Prellung tatsächlich eine tiefere Gewebeverletzung verbirgt.

Striemen und Peitschspuren sind im BDSM-Kontext häufig und für viele ein bewusst angestrebter Teil der erotischen Erfahrung. Medizinisch betrachtet sind sie in der Regel unproblematisch und heilen ohne bleibende Schäden ab, solange grundlegende Sicherheitsregeln beachtet werden. Entscheidend sind Konsens, gute Kommunikation, anatomische Kenntnisse und sorgfältige Nachsorge.

Wer sich informiert und verantwortungsvoll mit seinem Körper und dem seiner Partnerinnen oder Partner umgeht, kann die Intensität solcher Erlebnisse genießen, ohne seine Gesundheit zu gefährden.

Frau Doktor K., Juli 2025

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Literaturverzeichnis (Auswahl):

– Ambler, J. K., Lee, E. M., Klement, K. R., Loewald, T., & Sagarin, B. J. (2017). Consensual BDSM facilitates alterations in consciousness. Journal of Sexual Medicine, 14(3), 387–396.

– American Psychiatric Association. (2013). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (5th ed.).

– Chapin, H., Sibley, C., & Warner, E. (2021). Healing trajectories of consensual BDSM-related injuries. Journal of Sexual Medicine, 18(5), 917–924.

– Drouin, M., et al. (2023). BDSM-related intentional and unintentional markings: A mixed-method study. Journal of Sex Research.

– Herold, K., & Hensel, J. (2021). Forensic aspects of consensual BDSM injuries. Forensic Science International, 322, 110773.

– Hucker, S. J., et al. (2021). Erotic asphyxiation fatalities: A literature review. Forensic Science International, 318, 110595.

– Kammerer, T., et al. (2021). Risks of autoerotic asphyxiation and BDSM-related asphyxiation. Journal of Forensic and Legal Medicine, 83, 102283.

– Moreira, A., et al. (2023). Emergency care of BDSM-related injuries. Canadian Journal of Emergency Nursing, 45(2), 89–96.

– Sagarin, B. J., Cutler, B., Cutler, N., Lawler-Sagarin, K. A., & Matuszewich, L. (2009). Hormonal changes and couple bonding in BDSM. Archives of Sexual Behavior, 38(2), 186–200.

– Williams, D. J. (2006). Different (painful) strokes for different folks: A general overview of sexual sadomasochism. Journal of Positive Sexuality, 1(1), 32–37.